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Nach Anzeige durch Neonazi: Hausdurchsuchung bei Journalist 2 Tage vor Urteilsverkündung im Fretterode-Prozeß

Was Tatort Fretterode am gestrigen Mittwoch, 14.9.2022, auf Twitter bekannt gab¹:

(1/4) Zwei Tage vor dem Urteil im #Fretterodeprozess lässt die Staatsanwaltschaft #Mühlhausen einen Journalisten durchsuchen. Vorgeworfen wird ihm das aufhängen eines Plakates zum 3 Jahrestag. PM der Anwaltskanzlei Adam: https://anwaltskanzlei-adam.de/2022/09/14/durchsuchungsmassnahme-bei-journalisten-nach-kritik-an-verfahrensdauer-im-fretterode-prozess/

(2/4) Der Verdacht der #Staatsanwaltschaft #Mühlhausen gründet auf einer Anzeige von Thorsten Heise, Vater eines Angeklagten, „gegen unbekannt“.

(3/4) „Der Durchsuchungsbeschluss enthält trotz Kenntnis der journalistischen Tätigkeit keinerlei Abwägung mit dem Recht der freien Presse insbesondere auf investigative Tätigkeit.“

(4/4) „Wäre der Journalist gefragt worden hätte dieser seine Nichtbeteiligung an der Aufstellung der Plakate beweisen können.“

Die vollständige Pressemeldung der Kanzlei Sven Adam², die den betroffenen Journalist vertritt:

14.09.2022
– Pressemitteilungen, Pressemitteilungen der Kanzlei

Durchsuchungsmaßnahme bei Journalisten nach Kritik an Verfahrensdauer im Fretterode-Prozess

Im Zusammenhang mit dem sog. Fretterode-Verfahren vor dem Landgericht Mühlhausen (Az.: 3 KLs 101 Js 47753/18 jug) wurde am Dienstag, den 13.09.2022, auf Antrag der Staatsanwalt Mühhausen ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 16.06.2022 vollstreckt, die Wohnung eines Journalisten durchsucht und etliche technischen Geräte beschlagnahmt, die zur Ausübung der journalistischen Tätigkeit erforderlich sind.

Der 32-jährige Journalist steht hiernach im Verdacht, in Hohengandern in der Nacht vom 27.04.2021 auf den 28.04.2021 Plakate mit der Aufschrift „3 Jahre kein Prozess“ und „Tatort Fretterode“ aufgestellt zu haben, auf denen die Angeklagten aus dem sog. Fretterode-Prozess zu sehen sind und damit gegen das Kunsturheberrecht verstoßen zu haben. Die Aufsteller hatten zu erheblicher Medienresonanz geführt. Der Journalist war nicht vor Ort und ist hiernach auch trotz bereits im November 2021 beantragter Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten des Journalisten von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen nie gefragt worden. Der Verdacht der Staatsanwaltschaft gründet auf einer Anzeige von Thorsten Heise, Vater eines Angeklagten, „gegen unbekannt“ und laut Durchsuchungsbeschluss gegen den Journalisten einzig aufgrund des Umstandes, dass in der Nähe der Plakate ein Mobiltelefon mit auf die Plakate gerichteter Kamera gefunden wurde. Das Mobiltelefon wurde dem Journalisten zugeordnet. Der Umstand der Tätigkeit des Journalisten als solchem war sowohl der Staatsanwaltschaft als auch dem Amtsgericht Mühlhausen bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses bekannt und wird dort benannt.

„Der Durchsuchungsbeschluss enthält trotz Kenntnis der journalistischen Tätigkeit keinerlei Abwägung mit dem Recht der freien Presse insbesondere auf investigative Tätigkeit. Wäre der Journalist gefragt worden hätte dieser seine Nichtbeteiligung an der Aufstellung der Plakate beweisen können. Eine solch erhebliche Maßnahme wie eine Wohnungsdurchsuchung und die laut Beschluss gewollte Beschlagnahme diverser technischer Geräte bis hin zu Routern und internetfähigen Fernsehern stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Pressefreiheit dar.“ wundert sich der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam über die Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahme, der den Journalisten vertritt. „Hier wird auf eine Anzeige von Thorsten Heise aus 2021 zwei Tage vor der Urteilsverkündung in dem Fretterode-Prozess eine nach meinem Dafürhalten schon aufgrund der Pressefreiheit rechtswidrige, allemal aber unverhältnismäßige und unnötige Durchsuchung nach der Strafprozessordnung (StPO) vollstreckt, die ausgerechnet im Fretterode-Verfahren am Tattag unverständlicherweise gerade nicht durchgeführt wurde.“ ärgert sich Adam auch über den Kontext und den Zeitpunkt der Maßnahme. „Es bleibt zu hoffen, dass die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die beschlagnahmten Geräte nun unverzüglich wieder herausgibt und die Adresse des Journalisten vor dem möglicherweise einzig mit einer Anzeige bezweckten Zugriff durch Dritte schützt.“ so Adam abschließend.

Gegen den Durchsuchungs- und Beschlagbeschluss wurde unmittelbar nach Beendigung der Maßnahme die Beschwerde vor dem Amtsgericht Mühlhausen eingelegt und nochmals Akteneinsicht beantragt.

Für Rückfragen steht Rechtsanwalt Sven Adam unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.

¹ https://twitter.com/fretterode/status/1570092894832234496
² https://anwaltskanzlei-adam.de/2022/09/14/durchsuchungsmassnahme-bei-journalisten-nach-kritik-an-verfahrensdauer-im-fretterode-prozess/

Beitragsbild: Aufkleber/Poster Quelle: Tatort Fretterode

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