Erste Begegnung mit einem rechten Provokateur am 3.9.2012 (Lennard R.)

Triggerwarnung

Begegnung mit einem rechten Provokateur am 3.9.2012 bei Anti-Atom Mahnwache
Disclaimer: Die Veröffentlichung dient der Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen und ist zeitgeschichtliches, bedenkliches Ereignis in Göttingen. U. Eberhardt

Gedächtnisprotokoll Audio und Text
Nachfolgend mein Gedächtnisprotokoll (vor mehr als 10 Jahren) vom Montag, 3.9.2012, eigentlich hatte ich damals vor und auch öffentlich angekündigt Mitte September 2012 eine Petition gegen den damaligen niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zu veröffentlichen, nach den Ereignissen, die ich hier in meinem Gedächtnisprotokoll beschreibe, legte ich die Petition unter nichtmeinminister.de damals vorerst auf Eis (bis Dezember 2012).

Protokoll damals verfasst am 4.9.2012, handschriftlich, später als txt bzw. pdf Datei. Eingelesen und als mp3-Datei veröffentlicht zum Anhören, heute, 2.11.2023

Audio

Ort: Göttingen. Altes Rathaus / Gänseliesel. Mahnwache der Anti-Atom-Initiative.

Zuständiger Polizeipräsident: Robert Kruse (CDU) a.D.
Zuständige Polizei-Pressesprecherin: Hilke Vollmer (CDU) a.D.

Text

Am Montag, 3. September 2012 nahm ıch gegen 18 Uhr an der Fukushima-Mahnwache am Gänseliesel in Göttingen teil. Ich verteilte mit anderen Flyern zur Mahnwache als auch Handzettel zu einem bevorstehenden Filmabend. Dabei fiel mir auf das am Brunnen unterhalb des Gänseliesel, etwa einen Meter entfernt von der Rednerin der Mahnwache ein junger Mann (mir heute bekannt als Karim Ben A.) am Brunnenrand lehnte und eine Butterbrottüte zerknüllte und diese anschließend auf den Boden warf. Die Butterbrottüten sind mit Aufdrucken der Anti-Atom-Initiativen versehen und am Infostand der Mahnwache erhältlich.
Ich ging sachte auf ihn zu um die laufende Mahnwache nicht zu stören, sprach Herr A. an und sagte, das ich das Hingeworfene besser wegtue. Neben Herr A. saß ein junger Mann (mir heute als Jonas W. bekannt) der mir seine Freude zeigte. Ich nahm die Papiertüte und eine leere Packung Zigaretten die auch am Fuss des Brunnens lag, ging zum Mülleimer gegenüber der Mahnwache und warf die Sachen weg. Danach ging ich wieder meine Runde um die Mahnwache und verteilte an Anwesende weiterhin Flyer und kam mit dem einen oder der andern Anwesenden ins Gespräch. Ich schaute noch einmal zum Brunnen, Herr A. und seine offensichtliche Begleitung Herr W. lehnten dort nicht mehr. Es war dann nach der Schweigeminute, die regelmäßig nach der Eröffnungsrede stattfindet. Ich stand ruhig da, noch etwas bedächtig vom Moment des Schweigens. Ich bekam dann mit das rechts neben mir, etwa 5 Meter entfernt. A. und W. stehen. Ein Dritte Person kam dazu, sie schienen sich zu kennen, sie begrüßten sich freudig. Ich achtete nicht mehr darauf und widmete mich dem Geschen der Mahnwache. Bis die Dritte Person, ein junger Mann (mir heute als Lennard R. bekannt) auf mich zulief, seinen Ellenbogen gegen meine Hüfte schlug — und zweimal sagte: „Wir kriegen dich noch.“ Herr R. lief dann weiter, ich lief wenige Meter neben ıhm her und fragte nach was denn los ist, warum er mich bedroht, schlägt und fragte ihn ob ich ihn und seine Körpersprache mißverstehe. Zu diesem Zeitpunkt tauchten dann auch wieder Herr A. und Herr R. auf, Beide von hinter mir kommend an mir vorbei liefen und sich hinter Lennard R. positionierten. Herr R. hatte mittlerweile begonnen mich anzuschreien, so das nun auch Passanten in der Fußgängerzone aufmerksam wurden und das Gebaren von Herr R. begonnen hatte manche Teilnehmer*innen der Mahnwache dıe dichter am Geschehen waren zu stören. Herr R. schrie nur noch und sprach mehrfach Drohungen gegen meine körperliche Unversehrtheit aus, er stand sehr nah vor meinem Gesicht, so nah das sich fast die Nasenspitzen berühren konnten. Da er nun aus tiefster Brust schrie und durch die Nähe unserer Gesichter kam immer wieder Speichel aus seinem Mund der mir ins Gesicht spritzte, sein Atem roch unangenehm. Ich sagte nichts, meine Körperhaltung blieb passiv aber meine Füße starr, ich wich nicht, signalisierte aber bewusst durch das zeigen Handflächen der nach unten gestreckten Arme keinerlei Aggression, ich lehnte mich dabei etwas nach hinten um die Belästigung durch den Speichel und den schlechten Atem etwas zu mildern, — ich hatte Mitleid mit ihm. Mitleid damit dass ein Mensch derartige Aggressionen in sich führt und diese Wut bei jemand entladen möchte der gänzlich nichts mit den Lebensumständen zu tun hatte und hat die derart primitives und unkontrolliertes Verhalten verursacht haben. Herr R. legte den Kopf schräg, rieb sich dıe Nase, zu dem Zeitpunkt faste ich in meine Hosentasche um eine Kamera rauszuholen, R. ging ein Schritt nach hinten und holte mit dem Arm aus, die Kamera war dann schon an. Er schlug, ich wich etwas nach hinten mit den Füßen weiterhin am gleichen Platz am Boden stehend so traf er nur noch leicht mit der Hand die Kamera, die Kamera löste dann aus.
Es gibt ein verwackeltes Bild dieser Situation das allerdings nur das Pflaster der Fußgängerzone zeigt. R. meinte dann ich dürfe ihn nicht fotografieren, ich entgegnete ihm dass ich das in der besonderen Situation schon fotografieren dürfe da er mich angegriffen hat, ich sagte ich dürfe lediglich die Bilder nicht veröffentlichen. Ich entgegnete außerdem das er im Fokus der Webcam ist die sich auf dem Karstadt-Gebäude befindet. In der Zwischenzeit gingen drei Besucher der Mahnwache dazwischen, stellten sich zwischen uns und sprachen ruhig mit mir. Die drei jungen Männer A., R. und W. liefen dann weg Richtung Karstadt, ich rief ihnen „he“ hinterher – A. drehte sich um, R. streckte den rechten Arm zur Faust hoch was in mir einen gänzlich konfusen Eindruck hinterließ. Ich habe von beiden Personen in diesem Moment ein Bild angefertigt, das ich nicht veröffentlicht habe. Ich ging dann ins Gespräch mit Denen deeskalierend einwirkten und musste erstmal jemand in den Arm nehmen und mich bedanken. Wen ich da in den Arm nahm weis ich nicht mehr. Zwei von ihnen haben mir geschildert was sie beobachtet haben. Beide Personen sind mir persönlich bekannt. Mit einem der geholfen hatte die Situation so ruhig zu meistern das nicht die Mahnwache unterbrochen werden musste ging ich in tieferes Gespräch, man überlegte ob und wie man Polizei einschalten solle. Genau Polizei? Wo war die? Dachte ich. Zu Beginn hatte ich sie* (*die Polizei) noch gesehen. Als wir zwei dann etwas ratlos Richtung Polizeiwache schauten die man vom Platz am Gänseliesel aus sehen kann, kamen in dem Moment und vier Polizisten aus besagter Wache am Alten Rathaus heraus. Erstaunlich und ungewohnt für eine Mahnwache Vollmontur, Knieschützer, Handschuhe, Helm an der Seite. Wir zwei schauten wohin sie gehen, es stellte sich raus sie gehen zum Bäcker. Meine Begleitung meinte los jetzt, wir sind dann hin — kurz vor der Bäckerei habe ich halt gemacht und zu meiner Begleitung gesagt, dass ich das nicht kann — ob er sich mal den einen in Uniform angeschaut hat sagte ich, das der Polizist in Vollmontur groß wie ein Schrank sei und kahl ist und das ich auch kein Bock auf den anderen hab, den mit dem Scheitel sagte ich – mir macht das Angst, sagte ich. Und das mir besonders die Situation Angst macht das die eh und je allgegenwärtige Polizei bei Mahnwachen just in dem Moment für ein Zeitfenster von ~10 minuten fehlt. Meine Begleitung akzeptierte. Ich sprach dann mit der Anmelderin der Mahnwache und erkundigte mich wer der zuständige Beamte zu dieser Mahnwache sei. Die Anmelderin zeigte ihn mir, ich wunderte mich dass der Polizist Zivilkleidung trug, sprach das gegenüber der Anmelderin an, die antwortete das sie sich auch wundere das der ihr sich bekannt gemachte Polizist heute Zivilkleidung trägt — darum fiel er mir auch nicht selbst auf, ich kenne den Beamten selbst flüchtig durch Begleitung zu Demonstrationen und empfand ihn bei Mahnwachen immer umgänglich, bei intensivierenden Vorträgen innerhalb der Mahnwachen wirkte er gar interessiert und dem Anti-Atom Thema nicht gänzlich verschlossen. Ich sprach ihn an und schilderte die Situation. Nach 5 Minuten unterhalten war das Ergebnis des Gesprächs, dass er sagte: „Ich kann das aufnehmen, aber das wird nicht mal Nötigung“. Auf die Frage wo er denn während des Vorfalls war, antwortete er: „Ich war kurz weg“ — das war in dem genannten Zeitfenster von 10 Minuten. Ich bedankte mich höflich und beendete das Gespräch. Ich war verunsichert, es war für mich nicht nachvollziehbar warum Polizisten und andere mir unbekannte Staatsgewalten (der Fall eines durch Verfassungsschutz beobachteten Göttinger Journalisten] die immer bei der Mahnwache beobachtet wurden ausgerechnet für 10 Minuten nicht zur Hilfe da waren. Ich entschied mich aufgrund meines Misstrauens und der Aussage des Kontaktbeamten „nicht mal Nötigung“ auch am nächsten Tag den Vorfall nicht anzuzeigen. Zudem hatte ich in der Nacht kein Auge zugemacht, ich fühlte mich bedroht, in dieser Nacht hatte ich zwei oder drei Anrufe mit unterdrückter Rufnummer, bis ich den Apparat auf lautlos stellte. Ich verständigte am nächsten Tag eine Anwaltkanzlei und unterrichtete diese über den Vorfall. Man teilte mir mit das von den Personen vermutlich nichts weiter zu erwarten sei, ich mich aber melden solle falls dem nicht so ist.

Ladungsfähige Zeugen für den Vorfall: Zwei Personen deren Anschrift ich nennen kann.

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Nach den Ereignisse folgten weitere Ereignisse, weitere Personen, u.a. ein Mann der ver.di und ich wurden kriminalisiert, über andere und mich wurden von der Polizei Göttingen in diesem Zusammenhang und Folgeereignissen Daten gespeichert, die als PMKL¹ getaggt waren.

Nachfolgende Berichterstattung nach dem Vorfall:
Zwischenfall nach Mahnwache – Neonazis finden Schutz bei der Göttinger Polizei AAI 06.11.2012

Dieser Vorfall mutet auch deshalb seltsam an, weil die selben Neonazis vor 2 Monaten einen Teilnehmer der Mahnwache tätlich angriffen. Der Vorfall wurde dem Kontaktbeamten an diesem Tag bekannt gemacht, aber lapidar mit „Nicht mal Nötigung“ abgeschmettert. Es kam nicht zur Anzeige.

Störungen der Göttinger Anti-Atom-Mahnwache werden scharf verurteilt. Grüne Göttingen 10.11.12

Der Göttinger Kreisverband verurteilt die wiederholten Störungen der Göttinger Anti-Atom-Mahnwache scharf. Am 5. November wurden Teilnehmende der monatlichen Anti-Atom-Demonstration erneut durch zwei rechte Unruhestifter bedroht. “Seit dem 3. September haben sich solche Fälle mehrfach ereignet”, erklärt Marie Kollenrott, Kreisvorstandssprecherin und Direktkandidatin im Wahlkreis Duderstadt.

Aussage von Neo-Nazi Lennard Rudolph unglaubwürdig – Staatsanwaltschaft unwillig Hitlergruß zu verfolgen A.L.I 25.06.2013

Linke rangeln mit der Polizei am Wahlkampfstand der AfD HNA 11.08.2013

AFD: Göttinger Wirrwarr FAZ 24.08.2013

PM: Lügengebäude von Neonazi Lennard Rudolph und der “Alternative für Deutschland” stürzen ein Grüne Jugend Göttingen 15.09.2013

Grüne Jugend spricht vom Einsturz des AfD-Lügengebäudes HNA 15.09.2013

Anmerkung und Verweis auf ein anderes Kapitel der Aufarbeitung

Mit Lennard R., er war u.A. wegen Betrugsdelikten später inhaftiert, gab es viele Jahre danach, digitalen Austausch und auch so etwas wie eine Annäherung und auch fast einmal ein verabredetes Treffen, mit Formen des Entschuldigens seinerseits, und Verständnis meinerseits besonders im Hinblick auf seine Aussicht auf Resozialisieren, aber das ist ein anderes Kapitel meiner Aufarbeitung. Aufgelöst wurde die Spannung zwischen uns allerdings nicht, er scheint aus meiner Sicht betrachtet immer noch gefangen in den Mühlen und Abgründen mancher die ihn als Werkzeug² benutz(t)en.

¹ vgl. Politisch motivierte Kriminalität Wikipedia
(PMKL = Politisch motivierte Kriminalität links)

² vgl. Agent Provocateur auf Wikipedia und dortige, weiterführende Quellen.