Wie das Göttinger Tageblatt am 27. Januar 2022 berichtet¹, erhebt nun auch das Stadtratsmitglied Dr. Francisco Welter-Schultes vom Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung (BfnS) Vorwürfe über undemokratischen Methoden und Strukturen im Neuen Rathaus, die in der Verwaltung während der Covid19-Pandemie am keimen sind.
»Die Corona-Pandemie geht unvermeidlich mit einer massiven Einschränkung von Freiheitsrechten einher, welche auch vom BfnS mitgetragen wird.«
schreibt das BfnS auf seiner Webseite². Dazu muss man ergänzen, die Freiheitseinschränkungen die wegen der Pandemie alle treffen, werden – bis auf eine sehr geringe und renitente Kleinstminderheit – von den allermeisten Göttinger Bürger*innen, auch mir, mitgetragen.
Im weiteren Verlauf der Pressemeldung (PM) des BfnS werden gravierende Einschnitte in der Ausübung des Stadtratsmandat von Welter-Schultes aufgezeigt:
»Das BfnS ist sogar in der Ratsarbeit von zunehmenden Einschränkungen betroffen, für die die Pandemie zur Rechtfertigung herangezogen wird. Die Verwaltungsspitze hat seit der Wahl bereits mehrere nichtöffentliche Besprechungen mit den Parteien durchgeführt, zu denen der BfnS-Vertreter Welter-Schultes ausdrücklich nicht eingeladen wurde. Begründet wurde dies offiziell damit, dass man den Kreis der einbezogenen Ratsmitglieder klein halten wolle. Das BfnS protestiert gegen diese Einschränkung von Informations- und Mitwirkungsrechten.«
In der PM, die vom 17. Januar 2022 stammt, werden auch zurückliegende Ereignisse geschildert, bei denen man sich als Göttinger Bürger*in fragen muss, ist das noch das Göttingen was man kennt – die Stadt die Wissen schafft – oder schon das, was Demokrat*innen, Journalist*innen und Blogger*innen in Hongkong anfangs erlebten, als mehr und mehr Einfluss durch die chinesische Regierung auf die Weltstadt ausgeübt wurde:
»Bereits 2019 hatte Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) dem Piraten-Abgeordneten Welter-Schultes mit einer rechtlich fragwürdigen Einschätzung, die die Rechtsabteilung unter seiner Leitung vornehmen ließ, im nichtöffentlichen Verwaltungsausschuss (VA) das Rederecht entzogen und damit verhindert, dass der Abgeordnete dort weiterhin kritische Fragen stellen durfte. Köhler hatte nicht bedacht, dass Abgeordnete anderer Parteien, die ebenfalls nicht Mitglied im VA waren, nun plötzlich auch kein Rederecht mehr hatten. Jahrzehntelang war es üblich, dass ein VA-Mitglied im Fall einer Abwesenheit von jedem anderen Fraktionsmitglied vertreten werden konnte.«
Damals war Welter-Schultes noch Stadtratsmitglied für die Piraten. Die Schilderung dieser zurückliegenden Erfahrung, deckt sich auch mit der Veröffentlichung auf der Webseite der ehemaligen(?) Piratenpartei-Göttingen³, deren Aussagen im Kern zwar in weiten Teilen von Welter-Schultes formuliert-, aber von den Mitgliedern und Sympathisant*innen der Piratenpartei Göttingen solidarisch mitgetragen wurde!
[Kommentar]
Dr. Francisco Welter-Schultes hat vollkommen Recht. Die gleichen intransparenten Methoden kennt man bei Bürgerfragen, Anregungen und Beschwerden.
Wenn man sich für die Demokratie in Göttingen bemüht, scheitert man regelmäßig an manchen Verwaltungsmitarbeitern, die meinen sie seien das Gesetz, aber man scheitert auch an den Gewählten, die sich hinter der Bürokratie verbergen.
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Fussnoten:
¹ https://www.goettinger-tageblatt.de/Die-Region/Goettingen/Goettingen-Ratsherr-Welter-Schultes-erhebt-Vorwuerfe-gegen-Oberbuergermeisterin-Broistedt
² https://bfns-goettingen.de/pm-klage-des-seniorenschutzbundes-gegen-die-stadt/#more-996
³ https://www.piratenpartei-goettingen.de/alles/demokratische-grundprinzipien-im-goettinger-rat-in-corona-zeiten-19485
Beitragsbild:
Eigenes Material. 27. Januar 2022. Hiroshimaplatz am Neuen Rathaus Göttingen. Flaggen anlässlich des Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus auf Halbmast.